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Titel
Die geliehene Zeit eines Königs. Der „arme“ Ruprecht und die Reichsfinanzen (1400–1410)


Autor(en)
Fouquet, Gerhard
Reihe
Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
Erschienen
Göttingen 2022: Vandenhoeck & Ruprecht
Anzahl Seiten
329 S.
Preis
€ 60,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Büttner, Universität Heidelberg

Die mittelalterliche Finanzgeschichte im Allgemeinen und die Reichsfinanzen im Besonderen hatten lange Zeit keine Konjunktur, erleben aber in jüngerer Zeit einen erneuten Aufschwung. Mit dem Werk von Gerhard Fouquet liegt nun eine grundlegende Studie zur Regierungszeit König Ruprechts vor. In Verbindung mit dem kurz zuvor erschienenen Werk von Mathias Kluge1 sind damit die finanziellen Praktiken des Königtums für die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts umfassend aufgearbeitet.

Auch für Fouquet steht der Kredit, der dem Herrscher gewährt wurde, im Zentrum des Interesses – und Schulden hatte Ruprecht in der Tat reichlich, wozu insbesondere der gescheiterte Italienzug zu Beginn seiner Herrschaft beitrug. Dies führte nicht nur zu Spott bei den Zeitgenossen, sondern auch zu einer meist negativen Darstellung in der Forschung – mit dem Verkauf der Königskrone auf dem Totenbett als vermeintlicher Höhe- und Endpunkt. Fouquet dagegen, das macht bereits die Einleitung deutlich, sieht in der Geldbeschaffung über Pfand, Kredit und Wiederkauf einen Gewinn an Handlungsspielraum und Flexibilität. Ruprecht sei es dabei gelungen, die finanziellen Herausforderungen königlicher Herrschaft im spätmittelalterlichen Reich „beweglicher als manch anderer“ seiner (ungenannt bleibenden) Vorgänger und Nachfolger zu meistern (S. 13).

Für die Untersuchung der Einnahmen und Ausgaben Ruprechts wird dieser in seiner Doppelrolle als Pfalzgraf bei Rhein und als römisch-deutscher König in den Blick genommen und nach den Unterstützernetzwerken des Herrschers sowie den Formen und Praktiken der Finanzadministration am Hof gefragt. Die hierfür zur Verfügung stehenden Quellen stammen sowohl aus lokalen Kontexten als auch aus der königlichen Kanzlei, in Form von Registern und Kopialbüchern, die durch die Regesten der Pfalzgrafen bei Rhein und die Ältere Reihe der Reichstagsakten erschlossen sind. Besonders sticht hier ein als „Diarium Ruperti regis“ bezeichnetes Dokument heraus, das ein Einnahmeverzeichnis für die Jahre 1401 bis 1407 enthält. Die Schwierigkeiten, die sich beim Vergleich der Beträge aufgrund der unterschiedlichen Währungsangaben ergeben, werden in der Arbeit thematisiert, die Umrechnungen selbst erfolgt auf der Basis von Einzelbelegen. Dabei kommt es vereinzelt zu fehlerhaften Angaben von Zahlen oder Währungen (S. 25, Anm. 27; S. 30, Anm. 4; S. 97, Anm. 553).

Auch wenn aufgrund der überlieferungsbedingten Lücken ausgeschlossen wird, eine Art Haushalt aufzustellen, so bieten die vielfältigen Dokumente doch eine Fülle von Zahlen, die in einem umfangreichen Anhang zusammengestellt sind (S. 235–310) und eine fundierte Annäherung ermöglichen. Der Blick richtet sich dabei zunächst auf die Einnahmen Ruprechts, die aus seiner Hausmacht als Pfalzgraf (S. 21–28) und seiner Stellung als König (S. 29–125) resultierten: Hierzu gehörte die Überlassung des Kirchenzehnten als Unterstützung für den beabsichtigten Romzug ebenso wie die regelmäßigen und außergewöhnlichen Abgaben der Juden und der Reichsstädte.

Die Behandlung der Steuereinnahmen ist nach Regionen und dort wiederum nach den einzelnen Orten gegliedert, was eine detaillierte Betrachtung der lokalen Ebene ermöglicht. Insgesamt spiegelt sich im Umfang der Einnahmen eine breite Anerkennung von Ruprechts Herrschaft, trotz der Opposition durch Wenzel und den Marbacher Bund. Die Einkünfte flossen allerdings oft nicht direkt in die königliche Kasse, sondern sie dienten als Anweisung dazu, die dem König von Dritten erbrachten Leistungen zu vergüten. Offenbar verfügte die Finanzadministration, für die der Kanzler Raban von Helmstatt (der „‚CEO‘ des Hofes“, 104) maßgeblich verantwortlich war, über relativ klare Vorstellungen der königlichen Leistungsfähigkeit, so dass in diesem Bereich Verpfändungen vergleichsweise selten blieben. Anders als die jährlichen Abgaben, die sich auf etwa 13.000 rheinische Gulden beliefen, brachten die außerplanmäßigen Forderungen der Jahre 1402 und 1404 nur einen Bruchteil der geforderten Summe ein – aber immerhin eine annähernde Verdopplung der regulären Zahlungen. Deutlich geringer fielen aufgrund früherer Verpfändungen die Einkünfte von den jüdischen Gemeinden aus, so dass der König sich auf den jährlich zu entrichtenden „Goldenen Opferpfennig“ (der besser „Opfergulden“ heißen sollte) fokussierte.

Gegenüber diesen Alltagsgeschäften bewegten sich die finanziellen Transaktionen beim Italienzug Ruprechts 1401/02 in ganz anderen Dimensionen, was durch die Hilfsgelder von Florenz und umfassende Kredite ermöglicht wurde (S. 127–145). Dieses „Finanzabenteuer“ (S. 131) ist durch das königliche Einnahmeregister in besonderer Weise dokumentiert, doch werden auch dessen Grenzen aufgezeigt. Die mit diesem und anderen Kriegszügen verbundenen Ausgaben beschäftigten den König seine gesamte Regierungszeit, wie sich an den vielfältigen Kreditverhältnissen zeigt (S. 147–194). Hier werden neben den Umständen und Modalitäten insbesondere die personalen Verflechtungen in den Blick genommen, konnte Ruprecht doch als Landesherr wie als König eine Vielzahl von Gläubigern gewinnen. Die zentrale Rolle kam hierbei dem Adel zu, der einerseits auf die Begleichung seiner Ausgaben im Kriegsdienst warten musste und andererseits selbst als Kreditgeber auftrat: Mehr noch als der oberpfälzische Adel traten südwestdeutsche Adlige als Geldgeber des Königs in Erscheinung. Zu diskutieren wäre allerdings, ob die – ansonsten stets einbezogenen – Überlieferungsbedingungen nicht auch hier zu einer Verzerrung führen, da Ruprecht in diesen Fällen stärker als sonst auf Verpfändungen zurückgriff.

Die Gesamtlage der finanziellen Situation Ruprechts wird in der Zusammenfassung, die auf Deutsch wie auf Englisch erfolgt (S. 195–209), deutlich. Viele der Befunde regen zum weiteren Nachdenken an, beispielsweise zur finanziellen Bedeutung der Zölle, deren Erträge im Falle Ruprechts die Einkünfte der Reichsstädte deutlich übertrafen. Spannend bleibt auch die Frage, inwiefern die von Ruprecht eingegangene Schulden seinen Sohn und Nachfolger im Pfalzgrafenamt prägten, der König sich also auch dessen Zeit lieh – oder ihm über die Verpfändungen gerade neue Möglichkeiten eröffnete. Überzeugend ist außerdem die analytische Deutung der Anweisung von Reichssteuern als „Kreditfinanzierung“ und nicht als „Verfall“ der finanziellen Lage des Königtums (S. 106). Anders als für heutige Beamte, die ihre Besoldung zum Monatsanfang im Voraus erhalten, war für das Verhältnis von Herrscher und Untergebenen im späteren Mittelalter im Regelfall eben eine andere Reihenfolge von Leistung und Bezahlung maßgeblich.

Insgesamt bietet Gerhard Fouquet nicht nur eine umfassende Analyse der Einzelheiten, Prozesse, Zusammenhänge und Dimensionen der Reichsfinanzen unter König Ruprecht, sondern ermöglicht auch eine angemessenere Gesamtbewertung seiner Regierungszeit.

Anmerkung:
1 Mathias Kluge, Verschuldete Könige. Geld, Politik und die Kammer des Reiches im 15. Jahrhundert (Schriften der Monumenta Germaniae Historica 77), Wiesbaden 2020.

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